- WAS dir heilig ist, verschweige,
- Birg es vor der Sonne Gold,
- Aber in des Abends Neige
- Wird die Leiter ausgerollt
- Für die rauschende, die Rotte,
- Wenn sie in die Tiefe steigt,
- Opfer zoll dem Gott der Grotte,
- Der sich nur dem Holder zeigt.
-
- Schmal sind und von Holz die Sprossen,
- Drauf der Fuß zu gehn sich scheut,
- Das Gebein von toten Rossen
- Liegt im Felsengrund verstreut,
- Sorge, daß dir nicht abhanden
- Komme jenes leichte Seil,
- Wer den ersten Gang bestanden,
- Darf noch hoffen auf das Heil.
-
- Aber, strenger dich zu prüfen,
- Hat, als Lenker deiner Fahrt,
- Dir der Kundige der Glyphen
- Tausend Steine aufgespart:
- Dir zu Häupten droht die Scholle,
- Und wer sagt, wenn du dich quälst,
- Ob nicht fort der Brocken rolle,
- Den du dir als Stütze wählst?
-
- Einstmals wärst du fast gescheitert,
- Aber nun beim zweiten Mal
- Scheint der Eingang dir erweitert,
- Lockt ins Dunkel dich ein Strahl,
- In der Grotte Schoß entzündet,
- Oder ist's dein wacher Geist,
- Der, dem Geist der Nacht verbündet,
- Dich im Schacht zu wandeln heißt?
-
- Zwäng dich rückwärts durch die Spalte,
- Taste mit bewährtem Fuß,
- Ob der schmale Sims dich halte.
- Neigt die Stier-Stirn sich zum Gruß,
- Wähnst du dich auf rechtem Pfade,
- Aber schon klafft links ein Riß,
- Und ein Kalksturz als Kaskade
- Rieselt in die Finsternis.
-
- Zunge zeig und Zähne blecke,
- Bisher war’s ein Kinderspiel,
- Doch die letzte lange Strecke
- Mußt du kriechen als Reptil
- Durch den Lehm, den feuchten, braunen,
- Der dir haftet an der Haut,
- Und du hörst die Stimme raunen:
- Dieser hat auf Sand gebaut.
-
- Und du fühlst den Sporn dich treiben,
- Und du spürst es im Genick,
- Und du möchtest liegenbleiben,
- Plötzlich öffnen sich dem Blick
- Hohe Säle, weite Räume,
- Du stehst auf und schwingst dich ein,
- Denn du bist am Hort der Träume,
- Wo der Schweifer schläft im Stein.
-
- Wie mit Netzen überzogen
- Funkelt die krystallne Wand,
- Und es könnte sein, hier bogen
- Sich die Nattern vor der Hand
- Dessen, der die Dolden häufte
- Auf den Holder, als er sang,
- Dessen, der das Gold hier träufte,
- Als im Fels der Quell entsprang.
-
- Wo die glatten Pfeiler ragen,
- Fühl dich als der Schlange Sohn,
- An den Klangstein darfst du schlagen
- Und du hörst den Grotten-Ton,
- Und du hörst die Tropfen, fallend,
- Manchmal wie ein leiser Schrei,
- Manchmal wie ein Seufzer, lallend
- Eine Geister-Litanei.
-
- Hier zu rasten laß dir raten,
- Aber Meister Schneidewind
- Schickt ins Schlammloch den Adlaten,
- Dem der Schweiß in Strömen rinnt,
- Hoffend, daß er steckenbleibe
- Stiefeltief im gelben Brei,
- Doch beschirmt vom Grottenweibe
- Hält er durch und kämpft sich frei.
-
- Endlich, von verworrnen Gleisen
- Eingekehrt am Schattenhort,
- Lassen wir die Flasche kreisen
- Und der Dichter spricht sein Wort,
- Und vielleicht einst werden Chöre
- Strömen, wenn dein Sang entschwand,
- Aber ob ein Ohr sie höre,
- Das steht in der Götter Hand.
-
- Laß den Sperber-Traum und tauche
- Wieder in die Schleusen ein,
- Zieh dich vorwärts auf dem Bauche,
- Lies die Zeichen auf dem Stein,
- Wieder, als der Boden-Wischer,
- Wieder wo die Stier-Stirn bleicht,
- Klimm, bis dir ein Wind, ein frischer,
- Sagt: Der Ausgang ist erreicht.
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- Deinen Göttern sollst du danken,
- Sie verheißen dir das Heil,
- Auf der Leiter, auf der schwanken,
- An dem leichtgeknüpften Seil
- Steig empor mit flinken Füßen,
- In die Sternenhelle schwing,
- Wo die Zwillinge dich grüßen,
- Und so schließt sich dieser Ring.
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- Und von oben, von der Spitze,
- Da du deine Mannen scharst,
- Wirfst du noch Gedankenblitze
- In die Klamm, wo du einst warst
- Schweren Schrittes eingestiegen,
- Tänzerisch beim zweiten Mal,
- Doch beim dritten wirst du fliegen
- Und du rastest erst beim Gral.
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- in: Freundesgabe, S. 23 und: Lingaraja, S. 40