- Wenn die Tiger-Blume blüht,
- Steht der Sommer auf der Schneide
- Schwerts, daß er die Zeiten scheide,
- Aber immer kommt verfrüht,
- Wer sich anschickt zu erspähen,
- Wie, bewacht von Skarabäen,
- Drachenblut auf Gold zu säen
- Sich die Tigerin bemüht.
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- Gelbe Blätter, schlaff gekreppt,
- Säumen Schalen mit Gewürzen,
- Satten, die den Sinn bestürzen,
- Daß der schwebende Adept
- Tiefer sich in Purpur-Schlünde
- Senke, daß auf samtner Pfründe
- Blick und Flügel sich entzünde,
- Eh der Feuerstrom verebbt.
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- Ein fast fleischliches Gelüst
- Spricht aus ihrem Kelch, der offen,
- Wie vom Liebespfeil getroffen,
- Trägt das schwankende Gerüst
- Der entflammten Staubgefäße:
- Was die Drachenfrau vergäße,
- Wär dem Quester das gemäße
- Und dem Tiger, der sie küßt.
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- Purpur-Blick aus goldnem Schoß:
- Vor dem sanften Flammenwerfer
- Werden Fang und Kralle schärfer,
- Liegen alle Adern bloß,
- Eh der Wächter Schlaf-verhangen
- Aufsteht, unterm Schirm der Schlangen
- Blut und Opfer zu empfangen
- Für die Götter Mexikos.
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- Kaum begonnen, schon gebeugt,
- Sinken in der Abendkühle
- Häupter welk auf braune Pfühle,
- Doch ihr Zauber bleibt bezeugt,
- Wenn die Eintags-Blüherinnen
- Münder, die sie singen, minnen,
- Ewig wieder zu gewinnen
- Tiger-Purpur Gold-geäugt.
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- Wenn die Tiger-Blume blüht,
- Scheint der Schlangenring geschlossen,
- Scheint die Neige ausgegossen,
- Doch der Sonnen-Widder sprüht
- Weiter seine goldne Garbe,
- Daß der Stempel, daß die Narbe
- Leuchten in des Feuers Farbe,
- Bis des Tigers Grimm verglüht.
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- aus: Feuerlilie, S. 130