- STUNDE des Widders: Aus heiligem Weiß
- Vlies, deine Schulter zu hüllen,
- Spätester Mund im Aeonengekreis,
- Mußt du die Zeichen erfüllen:
- Engel, der blutige Psalmen
- Bläst auf zerborstenem Horn,
- Schwarze Kentauren zermalmen
- Spätreiche, reif ihrem Zorn,
- Stunde des Widders: Aus heiligem Weiß
- Engel mit klirrendem Sporn.
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- Stunde des Stiers: Asphodelengeläut,
- Samensturz, Hufschlag der Flammen,
- Stirn unterm Weinlaub, der Isis geweiht,
- Opferkelch, dem wir entstammen,
- Opferschoß, drin wir verbluten,
- Wurf ohne Wiederkehr,
- Wahngesang sausender Ruten,
- Urne, von Göttertau schwer,
- Stunde des Stiers: Asphodelengeläut,
- Hochzeit von Taube und Speer.
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- Stunde der Zwillinge: Dunkler Narziß,
- Lippen auf ewig geschieden,
- Heilt kein Gesang mehr den welttiefen Riß,
- Rufst du die Nacht-Ikariden:
- Schlaf breitet samtene Flügel,
- Tod, der die Heischenden stillt,
- Doch der zerbrochene Spiegel
- Zeigt nur dein eigenes Bild,
- Stunde der Zwillinge: Dunkler Narziß,
- Traum, der sich niemals erfüllt.
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- Stunde des Krebs: Im gekreuzigten Licht
- Blitzen die blutigen Scheren,
- Krallt sich ihr Blick in dein Abschieds-Gesicht,
- Wirst du nicht wiederkehren,
- Aschenacht, sanftes Verstümmeln,
- Morgen aus Schatten und Sand,
- Antlitz, in rosigen Himmeln,
- Nie noch erhaschten, verbrannt,
- Stunde des Krebs: Im gekreuzigten Licht
- Antlitz, das niemand gekannt.
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- Stunde des Löwen: Arkadischer Tag,
- Schweigende Hüter der Herde,
- Adler, verrauschend mit mächtigem Schlag,
- Rühmen den König der Erde,
- Sanftmut zerschmetternder Pranke,
- Blick, der wie Feuer versehrt,
- Panischer Morgengedanke
- Gottes, zur Schöpfung verklärt,
- Stunde des Löwen: Arkadischer Tag,
- Herrscherglück, Schicksal und Schwert.
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- Stunde der Jungfrau: Verwunschenes Herz,
- Goldhaar, Holunder-umwoben,
- Traumflüge, Traumstürze morgenwindwärts,
- Haupt, in Gewittern zerstoben,
- Hermesstab, sanfte Reptile,
- Hand, vor Zerfallendem zag,
- Dornengelaß und die Spiele
- Singender Schlangen im Hag,
- Stunde der Jungfrau: Verwunschenes Herz,
- Hirtenruf trunken vor Tag.
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- Stunde der Waage: Geheimnis und Maß,
- Steigende, sinkende Schale,
- Sinnendes Glück, das die Schwere vergaß,
- Lichtsaum erloschener Grale,
- Goldene Mitte der Mitten,
- Einklang im schwebenden Nu,
- Trauer, vorzeiten erlitten,
- Sank dem Unsagbaren zu,
- Stunde der Waage: Geheimnis und Maß,
- Gleichgewicht, goldene Ruh.
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- Skorpionen-Stunde: Vermoderte Frucht,
- Staubspur von Babel und Theben,
- Gruftgewürm fußlos, von Göttern verflucht,
- Rankt sich um dorrende Reben,
- Aufruhr der Skarabäen,
- Pfau mit durchbissenem Hals,
- Tempel, drin Vipern sich blähen,
- Thronend im Glanz des Verfalls,
- Skorpionen-Stunde: Vermoderte Frucht,
- Stachel im Herzen des Alls.
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- Stunde des Schützen: Befiederter Pfeil,
- Aar mit zersplitternder Schwinge,
- Himmel und Erde von Opferblut heil,
- Magisches Eins aller Dinge,
- Süße des nie noch Gespürten
- Trinkst du gestillten Gesichts,
- Schwalben, im Fluge berührten,
- Bringst du die Grüße des Lichts,
- Stunde des Schützen: Befiederter Pfeil,
- Phallische Heimkehr ins Nichts.
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- Stunde des Steinbocks: Dunkelgestirn,
- Dämmernder Weg im Verwehten,
- Runen, unlesbar, verharschend im Firn,
- Botschaft verschollner Planeten,
- Strahlenschweif stürzender Reiche,
- Doch im Platonischen Jahr
- Wölbt sich der ewig gleiche
- Göttertag, grausam und klar,
- Stunde des Steinbocks: Dunkelgestirn
- Über veraschtem Altar.
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- Stunde des Wassermanns: Lethegerausch,
- Sang über wankenden Gründen,
- Alles ist Wiederkehr, alles ist Tausch,
- Ewig Verlieren und Finden,
- Wolkenhoch trägt uns die Welle,
- Sterntraumgeboren dein Blut,
- Wogensturz, Heimkehr zur Quelle,
- Ziel, das im Nirgendwo ruht,
- Stunde des Wassermanns: Lethegerausch,
- Wiegenlied, wallende Flut.
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- Stunde der Fische: Kristallener Chor,
- Strömend im irdischen Morgen,
- Spätester Mund, der die Himmel verlor,
- Weiß sich im Schweigen geborgen,
- Wenn dir, gefeit im Zerrinnen,
- Einmal das Loblied gelang,
- Widderschrei, Lust und Beginnen,
- Sperberflug, Rausch und Vergang,
- Stunde der Fische: Kristallener Chor —
- Alles wird einst noch Gesang.
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- aus: Stunde des Widders, S. 102