- aaaaaaaI
- DU, falterzart,
- Aus Augenblau
- Erwacht, gepaart
- Dem ersten Tau,
- Kamst du daher,
- Ein Lied, verhallt
- Im Nimmermehr,
- Noch ungelallt.
-
- Du, nicht gezeugt
- Für Heut und Hier,
- Was dich umschweigt,
- Gehört nur dir,
- Dein Morgenflug
- Von Pol zu Pol
- Kennt kein Genug
- Und kein Fahrwohl.
-
- Dich, ungeliebt,
- Wird niemand sehn,
- Der Kunde gibt
- Von deinem Gehn,
- Die Hüter-Hand,
- Die dich verletzt,
- Hält dich verbannt
- Aus jedem Jetzt.
-
- Wo, was verfloß,
- Ins Kommen führt,
- Ein Albatros
- Die Flügel rührt,
- Trägst du, allein
- Mit Wind und Stern,
- Dein Draußensein,
- Dein Allem-fern.
-
- Du, falterzart
- Zum Schlaf erwacht,
- Du bleibst bewahrt
- — In wessen Acht?
- Im Niemandslicht
- Die Schere blinkt,
- Eh dein Gesicht
- In Blut versinkt.
-
- Im Trauerblau
- Ein Traum, geköpft,
- Hand, die den Tau
- Der Augen schöpft:
- Dies ist der Hirt,
- Vor seinem Speer
- Sank, was dir wird,
- Ins Nimmermehr.
-
- Sein Odem blies
- Die Himmel klar,
- Vom Nachtsaum stieß
- Die weiße Schar,
- Wo Stier und Schwan
- Als Opfer qualmt,
- Der Flügel-Clan,
- Der dich zermalmt.
-
- aaaaaaaII
- DU, ungeboren,
- Du, lange tot,
- Du, kaum beschworen,
- Zu Traum verloht:
- Wer schnitt die Flügel
- Von deinem Fuß?
- Wer schloß die Siegel
- Für Ruf und Kuß?
-
- Du, nie begonnen,
- In Nacht zurück,
- Ein Reif, zerronnen:
- Vor ihrem Blick
- Stehn wir geblendet,
- Ihr Wiegen-Wind
- Schirmt nur, was endet,
- Nicht, was beginnt.
-
- Du, vor Erkennen
- Und Wahn gefeit:
- Wo wir verbrennen,
- Bist du der Scheit,
- In allen Taten,
- Gesang, Gedicht
- Bist du der Atem,
- Die Flamme licht.
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- Auf Schild und Wappen
- Verblühte Spur,
- Zwei Schwerter kappen
- Die Bogenschnur:
- Wer schliff die Sporen?
- Weß Zorn bedroht
- Dich, ungeboren,
- Dich, lang verloht?
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- Aar, der die Ringe
- Des Lichts zerstieß,
- Hebt seine Schwinge
- Vom Wolkenvlies,
- Die Wege weisend
- Zu dunkler Hut,
- Die Himmel speisend
- Von deinem Blut.
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- Aus keinem Schoße
- Wird je dir Welt,
- Bleibst du ins große
- Verwehn gestellt,
- Dem eignen Wähnen
- So treu geeint,
- Wo nur mein Sehnen
- Noch wacht und weint.
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- Aus: Stunde des Widders, S. 136