- Wir lasen auf den Tafeln der Kalifen:
- Tritt ein und schweig - ich bin die Messingstadt.
- Das Tiger-Band gezackter Hieroglyphen
- Spricht: Was auf Erden wallt, was Flügel hat,
- Kehrt lichtgestillt zurück in meine Tiefen:
- Dschinn, Marduk, Seraphim, der Fahrten satt,
- Vlies, Urne, Gral: die Asche aller Gestern
- Bewahrt der Stein in seinen Schweige-Nestern.
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- Von jener Mauern schroffer Zinne schalle
- Kein Echo, süßen Reimworts Widerpart,
- Aus Himmeln, draus die Adler schwanden, falle
- Kein Tropfen Taus, der Taxushag beharrt
- In Trauer, Sphinx mit harrscher Wächterkralle
- Schläft auf der Schwelle, die von Schwertern starrt,
- Und nur der Glanz der Messing-Minarette
- Spinnt Flöre Golds um Hain und Opferstätte.
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- Da dehnen sich, bewacht von Talismanen,
- Die Felder Traums, im Alabaster-Schnee
- Zerfallner Pavillons vergilben Fahnen,
- Ein Schädel harrt im Staub, daß er zerweh,
- Und Lethe-Nektar, strömend blaue Bahnen,
- Ist bittrer als das Blut der Aloe.
- Nur du allein, Fragilster der Gefeiten,
- Bist ausersehn, ins dunkle Reich zu schreiten.
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- Da locken Flure, Fluchten, Spiegel-Gänge,
- Treppen ins Nirgends, Elfenbein zerspellt,
- Ein blinder Falke heftet seine Fänge
- Auf deinen Helm, du hörst im Traumgezelt
- Nichts als der Lanzenottern feine Sänge,
- Du siehst dich selbst im Purpur, der zerfällt
- Und nichts beläßt als jene blinde Schwinge,
- Die dich entrückt zum innersten der Ringe.
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- Ein jeder schlafe da mit Stab und Krone,
- An Herzens Statt ein flammender Rubin,
- Zartsamtne Flügler: Schmetterling und Drohne
- Bewölken schwarz den Blüten-Baldachin,
- So lies im Rauch des Hanfs, im Blau der Mohne
- Die Botschaft: Alles ist uns nur verliehn
- Für eines Atems Hauch: Im Fall der Stunde
- Bleibt nur das Schwert und was es schlug: die Wunde.
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- Da kauern regungslos auf Bronze-Rossen
- Entfleischte Reiter, Turmalin-verziert,
- Im Gelb der Ampeln, Ambraduft-umflossen,
- Ein Knaben-Leichnam, köstlich präpariert,
- Als sei zerstörter Brünste Glut ergossen
- Auf seine Stirn, die Traum um Traum gebiert:
- So sucht ein Engel, jäh ins Nichts verwiesen,
- Noch immer nach verlornen Paradiesen.
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- Er war der Golder deiner Arieltage,
- Sein Aug dein Stern, sein Leib dein Honigstock,
- Nun schattet Blut am weißen Saum der Sage,
- Der Schnecke Spur auf seidenem Gelock,
- Zu Häupten steht der Walter mit der Waage,
- Und aus der Wolke stieß der Vogel Rock,
- Daß er mit Schnabels diamantner Schneide
- Verwester Schöne Herzgefild beweide.
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- Hier wird kein Reisiger den Bogen spannen,
- Kein Seraph nackten Schwerts im Frühlicht stehn,
- Kein Sindbad seiner Sehnsucht Boot bemannen,
- Kein Morgenstern von West zum Aufgang gehen,
- Die Schweiger all, die Blicke, die dich bannen,
- Und was auch träumt im Dämmer der Moscheen:
- Stier, Nimrod, Seraphim: Du spürst in allen
- Nur eine Lust: in Hoheit zu verfallen.
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- Dir aber, Dunkelstem der Flügler-Gilde,
- Wird alles Traumgold einmal noch zum Ring,
- Dein Wehn befrei die Inneren Gefilde,
- Den Sänger, dem du Atem gabst, beschwing
- Mit Ost-Gekos, dem Abglanz aller Milde,
- Daß er dein Wappen wähl: den Schmetterling,
- Der tief im Purpur alter Dämmerungen
- Die Flügel senkt, von Blütenduft bezwungen.
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- Ein Schatten seiner Weisheit, nicht in Worten
- Und tiefer als der Tag, blieb uns gewährt:
- Wenn dann der Falter goldene Cohorten
- Auf deinen Wink, von spätem Glanz verklärt,
- Zur Nacht sich sieghaft scheiden vom Verdorrten,
- Besteigen wir das Magische Gefährt
- Und fliehn, durch Marmorwand und Spiegel-Säle,
- Der Flamme zu, die uns dem Traum vermähle.
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- aus: Questen-Gesang, S. 54
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