- —————I
- LASS deine Pulse stocken
- Und senk die Stirne tief
- Zum Saum der Maienglocken,
- Drin Ofterdingen schlief,
- Und aufzublühn gebiete
- Dem Flieder, der dich schmückt,
- Eh Lilie dich verriete,
- Hat Wind sie abgepflückt.
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- Verwirkt ist und verschollen,
- Was edel war und groß,
- Verstoben mit den Pollen
- Und fast schon namenlos,
- Und wer die ferne Sage
- Erweckt für einen Tag,
- Der sänke vor dem Schlage
- Der Sichel nackt im Hag.
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- Wo Krieger Blut vergossen,
- Wo Odin trank am Born,
- Ist Bärenlauch entsprossen,
- Blüht rot der Lerchensporn,
- Pilz wird den Stein zersprengen,
- Das Wasser tut sein Werk,
- Und Flechten schwarz verhängen
- Den Eingang in den Berg.
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- Wer mit der Wünschelrute
- Den lichten Wald durchstreift,
- Wer mit des Widders Blute
- Die Stämme salbt, ergreift
- Nichts als von Muschelschalen
- Den Schild, der leise klirrt
- Am Eichenast, am kahlen,
- Der dir nicht grünen wird.
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- Und wer die Pforte fände,
- Den blendete kein Licht,
- Den sehrten keine Brände,
- Sein Aug erspähte nicht
- Den Hort der Nibelungen
- Und nicht des Kaisers Schloß,
- Weil, was dem Traum entsprungen,
- Uns wie ein Traum zerfloß.
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- Nicht fragt der Schatten-Weber
- Ob du das Feld verminst,
- Schatzhüter und Schatzheber
- Sind beide außer Dienst,
- Und was wir sommers erben,
- Sind Walkerbeeren, leg
- Die holden zu den herben
- Und geh den Ginsterweg.
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- Kein Eber schlug die Bresche,
- Im Wind ragt ohne Wehr
- Der Quester vor der Esche,
- Gelehnt auf seinen Speer,
- Zwei Schlangen weiß umwinden
- Den Stab – ihr Tanz besagt:
- Erblühen und erblinden
- Wirst du, bevor es tagt.
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- Und auch die späten Wächter,
- Milan und Hermelin,
- Sucht Pan, der Spiegelfechter,
- In seinen Bann zu ziehn,
- Die Schlangen, sie entgleiten
- Im Sand und allzu schnell
- Wirst du den Kreis durchschreiten,
- Doch silbern springt der Quell.
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- Wo Nebelschleier wallen,
- Ist auch der Schlaf nicht fern,
- Nur einer, hold vor allen,
- Wacht mit dem Abendstern,
- Vom Runenblitz getroffen,
- Im Schatten aufgepflanzt,
- Und hält die Wunde offen,
- Die du nicht stillen kannst.
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-
- —————II
- UND werden wir zuletzt
- Im Kyffhäuser verschwinden,
- Vom Morgenduft der Linden
- Berückt, bis wir erblinden,
- Und außer Sicht gesetzt
- Dem Jäger, der die Hinden
- Mit tausend Hunden hetzt?
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- Wird, wo sich Einst und Jetzt
- Im Schlangen-Ring verbinden,
- Der Gott das Horn umwinden
- Mit frischer Weide Rinden,
- Mit Birkenbast zerfetzt?
- Und niemand wird uns finden
- Am Quell, der uns benetzt?
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-
- ————III
- IM Kyffhäuser-Karst
- Vertraust du dein Haupt,
- Mit Eichen belaubt,
- Mit Purpur bestaubt,
- Dem Stein, der zerbarst.
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- Im Kyffhäuser-Karst
- Versenkst du den Speer,
- Von Runen-Rost schwer,
- Mit Wappen und Wehr
- Im Schrein, den du scharrst.
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- Im Kyffhäuser-Karst
- Hält, Schwanen-beschuht,
- Der Schürer der Glut
- Das Einhorn in Hut,
- Solang du verharrst.
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- Im Kyffhäuser-Karst
- Im innersten Kern,
- Von Tagwerken fern,
- Erspähst du den Stern,
- Bevor du erstarrst.
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-
- ————IV
- STREIF im Eichenwald
- Von der Stirn den Staub,
- Sieh den schmalen Spalt,
- Lasse dich im Laub
- Gleiten, bis der Fuß
- Feststeht auf dem Stein,
- Heb die Hand zum Gruß,
- Tritt ins Dunkel ein.
-
- Wer erschuf dies Haus?
- Wessen Fang umblitzt
- Die Gefährten, aus
- Welchem Holz geschnitzt?
- Immer schließe dich
- Ihrem Reigen an,
- Denn sie hielten stich,
- Als die Nacht begann.
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- Die vor dir gebückt
- Durch den Stollen gehn,
- Hat ein Glanz berückt,
- Nur im Traum zu sehn,
- Und sie schürfen dir
- Mit der Fackel Knauf
- Erz, wie einst der Stier
- Mit den Hörnern, auf.
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- Wo die Wege steil,
- Gehn die Steiger dicht,
- Einer trägt das Seil,
- Einer schirmt das Licht,
- Einer führt dem Raum
- Neue Bilder zu,
- Aber still am Saum
- Steht der Träumer: du.
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- Hab der Schlange acht,
- Die am Grund sich regt,
- Über jenen Schacht
- Ist ein Holz gelegt,
- Pilze wuchern dort,
- Schatten walten da,
- Und das Gold im Hort
- Scheint zum Greifen nah.
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- Wer sich allzu forsch
- Auf die Brücke wagt,
- Spürt, der Stamm ist morsch,
- Und kein Eisen ragt
- Aus der Wand, um Halt
- Dem zu bieten, der,
- In den Fels gekrallt,
- Weiß: der Hort ist leer.
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- Glanz und Worte spar
- An der Grube Rand,
- Achte die Gefahr,
- Aber halt ihr stand,
- Schimmern weiß und rot
- Die Krystalle dir,
- Wirf das Echolot
- Und besteh den Stier.
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- Wird der Klang verstärkt?
- Wird der Laut verschluckt?
- Stirbst du unbemerkt,
- Eh die Wimper zuckt
- Dessen, der den Stein
- In der Schwebe hält?
- Stürzt der Stollen ein,
- Eh der Hammer fällt?
-
- Wer dort niedersinkt,
- Ob der sich erhebt?
- Wem der Schatten winkt,
- Ob der widerstrebt?
- Mächtig ist der Sog
- Aus dem Dunkel her,
- Was da wob, verflog,
- Und es wog nicht schwer.
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- Die vor Jahren hier
- Nach dem Spat geschürft,
- Hat das Grotten-Tier
- Lang schon eingeschlürft,
- Und in brauner Haut
- Reglos ruht der Ur,
- Bis das Mahl verdaut,
- Bis verwischt die Spur.
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- Sagt, die ihr im Saal
- Euch der Welt verschließt,
- Saht ihr, daß der Gral
- Jäh sein Licht ergießt?
- Daß ein Tropfen Bluts
- Auf die Stufe fiel?
- Schattenhand vertuts
- Und es bleibt ein Spiel.
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- Denn die Bilder bleich
- Zwingen uns noch nicht,
- Auch im Schattenreich
- Dienen wir dem Licht
- Und wir tauchen ein
- In das Laub und sind,
- Steigend aus dem Stein,
- Same jedem Wind.
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- Morgen ist uns hold,
- Knospe schwillt am Knauf,
- Der das Seil entrollt,
- Raunt den Gruß: Glück auf,
- Und du schaust im Haugk
- Lichteres Gespinst
- Vor dem Sonnen-Aug,
- Das du blühend minnst.
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- Lausch der Gralsmusik
- Aus dem Ahornhag,
- Mit dem Falken flieg,
- Mit der Schlange rag,
- Küsse den Menhir,
- Den die Lilie schmückt,
- Wer sich schied vom Stier,
- Wird vom Gott beglückt.
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- in: Halkyon, S.79