- Es steigt auf der Wiese,
- Es weht überm Wald,
- Es sprengt die Verliese
- Mit Schlüssel-Gewalt,
- Vom Winde getragen
- Die Wipfel besprichts
- Und stiftet im Hagen
- Zisternen des Lichts.
-
- Kehr ein am Gestade
- Arkadischer Nacht,
- Die Reiche der Gnade
- Sind fern deiner Macht,
- Doch spür, wie die Blume
- Dein Sehnen besiegt,
- Die weiß aus der Krume
- Entspringt und verfliegt.
-
- Die Stiege der Blüher
- Mit Blicken erklimm,
- Wer später, wer früher,
- Erlies und bestimm,
- Dein Siegel verbindet
- Die Holder des Hains,
- Was kam, was entschwindet,
- Fällt lächelnd in eins.
-
- Sieh Turbane ragen,
- Wenn Türkenbund blüht,
- Laß Astern dir sagen,
- Wann Sommer verglüht,
- Dringt Licht durch die Risse
- Des Himmels, bemiß
- Die Dichter-Narzisse
- Dem Dichter-Narziß.
-
- Wenn Stürze von Flieder
- Der Morgentraum trägt,
- Vergißmeinnicht wieder
- Die Augen aufschlägt,
- Rührt Zephir die Welle
- Gewaltigen Flugs,
- Enthüllt sich die Quelle
- Dem Füller des Krugs.
-
- Da, Gold-überflutet
- Und Lilien geminnt,
- Adonis verblutet,
- Erwacht Hyazinth,
- Mit flammender Scheibe
- Zwei Göttern Gespiel,
- Erwählt er zur Bleibe
- Des Ginsters Exil.
-
- Vom Hauch der Reseden
- Ersteht in der Luft
- Ein gläsernes Eden,
- Ein Eiland aus Duft,
- Wo weiß, wenn die Barke
- Des Traumes anlegt,
- Der Gott mit der Harke
- Die Beete dir hegt.
-
- Korinthische Säulen
- Schmückt glänzend Akanth,
- Mit zitternden Keulen
- Ist Aaron entbrannt,
- Wird Iris fragiler,
- Prunkt Mohn im Triumph,
- Und Hermes, der Spieler,
- Setzt Purpur als Trumpf.
-
- Sein Walten bereitet
- Die Räume dem Wort,
- Dort singen, begleitet
- Vom Rosen-Akkord,
- Auf strahlender Höhe
- Die Narden im Chor
- Die Duft-Epopöe
- Dem Sommer ins Ohr.
-
- Tigridia prange
- In tierischem Rot,
- Wer sagt uns, wie lange
- Der blaue Pilot
- Die Flügel bedeckte?
- Und birgt unser Los
- Die Tiger-Gefleckte
- Im blutigen Schoß?
-
- Wo Duftwolken wehen,
- Stehn Schnitter im Strom,
- Ihr Amt zu versehen,
- Umwogt vom Arom,
- Doch schließt, eh die Klinge
- Zum Schlag sich erhob,
- Der Hüter die Ringe
- Mit Porst und Ysop.
-
- Wer Seltnes erflehte,
- Ergötzt sich am Laut
- Der Engels-Trompete,
- Das Helm-Knabenkraut
- Macht Luchsaugen trübe,
- Quält Schläfer im Dorn,
- Doch wilder erhübe
- Der Ritter den Sporn.
-
- Brokatblumen spannen
- Ein seidenes Tuch,
- Wo Kräuter dich bannen
- Mit stärkerem Ruch,
- Entzückt sich Levkoje
- Aus Schatten und Wahn
- Als äußerste Boje
- Im Duft-Ozean.
-
- Auf schütteren Almen
- Starrt Distel-Gezack,
- Die Schilfrohre qualmen
- Von Hanf und Tabak,
- Wenn Weckruf ertönte,
- Beschworst du den Mohn,
- Sein Odem versöhnte
- Apoll mit Adon.
-
- Der Stechapfel-Trichter
- Verströmt kühlen Duft,
- Schenkt schweifende Lichter
- Dem Wächter der Gruft,
- Wer Echsen beschliefe,
- Wer Bilsenkraut roch,
- Vernähm aus der Tiefe
- Der Schürfer Gepoch.
-
- Zu Apotheosen
- Wird Lilie verliehn,
- Den Holder der Rosen
- Erquickt Rosmarin,
- Wenn Dolden uns kosen
- Mit Gold und Karmin,
- Wird Sommer vertosen,
- Ist Mistel gediehn.
-
- Bald färbt sich die Rebe,
- Der Nektar gerinnt,
- Des Questers Gewebe
- Zerflattert im Wind,
- Der Frost schließt in Eisen
- Die Bringer des Glücks
- Und Nebel verweisen
- Die Blüher zum Styx.
-
- Du träum und erober
- Den Thron, der verloht,
- Und was dir Oktober
- An Holdem entbot,
- Laß kommen, laß enden
- Im Geißblatt-Gerank,
- Noch eh deinen Händen
- Die Sichel entsank.
-
- Auf eichner Konsole
- Wahrt Malve den Stand,
- Blüht nachts die Viole,
- Ist Hermes zur Hand,
- Der Sternen, die blitzten
- Auf Artemis’ Vlies,
- Mit Lippen, gespitzten,
- Die Lichter ausblies.
-
- Doch sie, die von alters
- Die Mondsichel trug,
- Die Herrin des Falters
- In Feuer und Flug,
- Sie steigt von den Hängen,
- Die Beifuß bewuchs,
- Das Fell zu versengen
- Dem Brecher des Krugs.
-
- Sie hegt deinen Garten
- Im Traum bis zuletzt,
- Sie hat dir die Scharten
- Des Schwerts ausgewetzt,
- Sie schenkt dir, vom Fieber
- Der Tigerin wund,
- Je-länger-je-lieber
- Mit Lotos im Bund.
-
- Ihr Hauch wird dich heilen,
- Du spürst ihren Fang,
- Wo Schlangen sich steilen,
- Zikaden-Gesang
- In Wellen sich breitet
- Am Saum ihres Rocks,
- Bevor sie entschreitet
- In Wolken von Phlox.
-
-
- aus: Feuerlilie, S. 156